Bericht

Die neue Organisationsstruktur an der BOKU

Ein Artikel von Prof. Dr. Siegrid Steinkellner, Leiterin des Departements für Agrarwissenschaften, BOKU University | 10.04.2025 - 10:09

Die Gründung der Hochschule für Bodenkultur Wien im Jahr 1872 markierte einen bedeutenden Meilenstein in der Entwicklung der österreichischen Landwirtschaft: Aufgabe war es, die Landwirtschaft auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen zu stärken und somit die Versorgung mit hochwertigen Lebens- und Futtermitteln sowie mit nachwachsenden Rohstoffen sicherzustellen. Aus der ursprünglich kleinen Agrarhochschule entwickelte sich in rund 150 Jahren eine Universität mit über 3.000 Mitarbeitenden und knapp 10.500 Studierenden in insgesamt 51 Studiengängen (boku.ac.at/boku4younow). Die agrarwissenschaftliche Ausbildung wird heute nicht mehr durch ein einziges Studium abgedeckt. Um der Komplexität der landwirtschaftlichen Produktion und den nachgelagerten Bereichen sowie den aktuellen Themen wie Klimawandel, Biodiversität, Resilienz, Digitalisierung und Bioökonomie gerecht zu werden, bietet die BOKU derzeit ein Bachelorstudium, neun nationale und internationale Masterstudien sowie darauf aufbauende Doktorats­studien an (s. Abb. 1). Mit diesem umfangreichen Ausbildungsangebot hat die BOKU bis heute das Alleinstellungsmerkmal der höchsten universitären wissenschaftlichen Ausbildung für die Landwirtschaft in Österreich.

Der Anspruch und die fachliche Ausrichtung in Forschung und Lehre an der BOKU fokussieren auf den Schutz und die Verbesserung der Lebensgrundlagen, das Management natürlicher Ressourcen, die Sicherung von Ernährung und Gesundheit sowie eine nachhaltige gesellschaftliche und technische Transformation. Bislang wurden Lehre und Forschung an der BOKU durch 74 Institute umgesetzt, organisiert in 15 Departments. In einer Zeit, in der sich die Welt rasant verändert und die Herausforderungen immer komplexer werden, ist es unerlässlich, dass auch die Universitäten ihre Strukturen anpassen und weiterentwickeln. Seit 1. Jänner 2025 geht die BOKU daher mit der Veränderung ihrer Organisationsstruktur neue Wege und bildet die BOKU Kompetenzfelder in sechs neuen Departments ab:

  • Department für Agrarwissenschaften
  • Department für Biotechnologie und Lebensmittelwissenschaften
  • Department für Landschaft, Wasser und Infrastruktur
  • Department für Naturwissenschaften und Nachhaltige Ressourcen
  • Department für Ökosystemmanagement, Klima und Biodiversität
  • Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Die Neustrukturierung der BOKU ist ein bedeutender Schritt, um den Anforderungen eines modernen Forschungsumfeldes gerecht zu werden und den Studierenden die bestmögliche Ausbildung zu bieten. Mit dieser Profilschärfung wurde gleichzeitig ein starkes Zeichen zur Bedeutung der Agrarwissenschaften an der BOKU gesetzt. Das neue Department für Agrarwissenschaften (boku.ac.at/agri) bündelt die naturwissenschaftlich ausgerichtete Agrarforschung entlang der gesamten landwirtschaftlichen Versorgungs- und Wertschöpfungskette. In den in Abbildung 4 dargestellten Instituten an den BOKU-Standorten in Wien, Tulln und an den Außenstandorten erforschen mehr als 350 Personen agrarische Systeme und die Interaktionen von Pflanzen, Tieren, Mikroorganismen und Menschen sowie die Entwicklung nachhaltiger Produktionsprozesse zur Sicherung und Weiterentwicklung der Lebensqualität.

Das Departement für Agrarwissenschaften und seine Institute

Die verschiedenen Institute, nach Fachdisziplinen organisiert, verfolgen jeweils spezifische Forschungsziele. So setzt das Institut für Pflanzenbau den Schwerpunkt auf Themen wie nachhaltige Produktionssysteme, Wasser- und Nährstoffnutzung, Bodenfruchtbarkeit, Nährstoffkreisläufe, Klimawandelanpassung und Ressourceneffizienz. Diese Fragestellungen werden durch Systemanalysen und Modellierungen auf allen Aggregationsniveaus (Pflanze, Bestand, Betrieb, Landschaft) bearbeitet.

  • Das Institut für Wein- und Obstbau arbeitet entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Obst- und Weinbau. Es setzt auf bestmögliches Management der Anbauflächen und Umweltbedingungen, um eine hochwertige und nachhaltige Produktion zu sichern und zu verbessern. Das In­stitut für Gartenbau deckt Themen wie Zierpflanzenbau, Gemüsebau, Kräuterkunde, Baumschulwesen und Staudenproduktion ab. Die Forschung reicht von gärtnerisch-landwirtschaftlichen Aspekten bis hin zu Verarbeitung und Lebensmittelwissenschaften.
  • Das Institut für Ökologischen Landbau arbeitet unter Berücksichtigung ihres Systemcharakters an der Weiterentwicklung der biologischen Landwirtschaft und Ernährungsweise. Ergebnisse disziplinärer oder interdisziplinärer Natur werden in ihren Auswirkungen auf das Gesamtsystem untersucht, wobei die Schwerpunkte auf die Bereiche Bodenfruchtbarkeit und Anbausysteme sowie Wissenssysteme und Innovationen gelegt werden.
  • Das Institut für Pflanzenschutz erforscht nachhaltige Lösungsansätze im Spannungsfeld zwischen Umwelt­anforderungen und der Forderung nach einer sicheren und ausreichenden Nahrungsmittelversorgung. Die Grundlagenforschung befasst sich mit den Interaktionen zwischen Pflanzenpathogenen oder Schädlingen und ihren Wirts- und Nichtwirtspflanzen sowie mit der Ökologie von Schädlingen und Nutzorganismen. Im angewandten Pflanzenschutz werden aktuelle Fragen der Pflanzenproduktion aus der integrierten und biologischen Landwirtschaft behandelt, einschließlich Weinbau, Gartenbau und Unkrautbekämpfung.
  • Im Bereich der Pflanzenzüchtung und Biotechnologie in der Pflanzenproduktion liegt der Fokus auf Grundlagen- und angewandter Forschung an Kulturpflanzen. Schwerpunkte sind Pflanzenzüchtung, Pflanzengenetik, Phytopathologie und Resistenzzüchtung sowie die Entwicklung und Anwendung biotechnologischer Methoden. Ziel ist es, die Pflanzenproduktion zu verbessern und nachhaltige Ernährungssysteme sowie die Nutzung natürlicher Ressourcen zu fördern.
  • Das Institut für Mikrobielle Genetik erforscht regulatorische Netzwerke für den Stoffwechsel und die Pathogenität von Pilzen. Es identifiziert neue Metabolite und Mykotoxine und untersucht deren Rolle in mikrobiellen Interaktionen. Diese genetische Forschung trägt zur Entwicklung neuer Strategien für die Pflanzenzüchtung, aber auch medizinischer Anwendungen bei.
  • Das Institut für Nutztierwissenschaften hat seine Kernkompetenzen in der Analyse tierischer Produktionssysteme und der Erarbeitung von Optimierungsstrategien in den Bereichen Tierzucht, quantitative Genetik, Tierhaltung und angewandte Nutztierethologie sowie Fütterungssysteme und angewandte Tierernährung.
  • Das Institut für Tierernährung analysiert den Stoffwechsel von Nährstoffen und die Wirkung von Nahrungskomponenten auf Nutztiere. Es untersucht die Ressourcennutzungseffizienz und die Emissionen umweltrelevanter Stoffe. Die Forschung konzentriert sich auf die sachgemäße Tierfütterung, die Steigerung der Ressourcennutzungs­effizienz und die Entwicklung von Strategien zur Optimierung tierischer Produktionssysteme.
  • Am Institut für Bioanalytik und Agro-Metabolomics werden leistungsfähige, hochmoderne (bio-)analytische Methoden entwickelt und angewendet. Dazu zählen die Multiklassenbestimmung von chemischen Rückständen, Mykotoxinen und Pflanzentoxinen in landwirtschaftlichen Rohstoffen, Lebens- und Futtermitteln. Metabolomic-­basierte Methoden werden genutzt, um biologische Systeme zu analysieren. Zudem werden Schnelltests zur Quantifizierung von (pathogenen) Mikroorganismen in Lebensmittel- und Wasserproben sowie von Allergenen in Lebensmitteln entwickelt.
  • Das Institut für Umweltbiotechnologie nutzt mikrobiologische Prozesse zur Sicherung der Lebensqualität und zur Wahrung natürlicher Ressourcen. Es erforscht den Abbau von Schadstoffen und die Nutzung von Enzymen in Recycling-Prozessen und in der Bioenergie. Das Institut entwickelt Sanierungsmethoden und innovative biologische Prozesse. Die Forschung konzentriert sich auf die nachhaltige Nutzung vorhandener Ressourcen.
  • Am Institut für Landtechnik forscht man an der Nutzung natürlicher Stoff- und Energiekreisläufe. Im Fokus stehen die Entwicklung und Bewertung neuer landwirtschaftlicher Verfahren, Maschinen und Geräte, die als Planungsgrundlagen für die Praxis dienen.
  • Das gesamte Feldversuchswesen wird durch die BOKU Research Farm umgesetzt.
  • Nicht zuletzt ist das Institut für Entwicklungsforschung zu nennen. Es arbeitet mit Akteuren aus Wissenschaft, Praxis, Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft an Themen nachhaltiger Entwicklung. Es forscht mit Partnern in Afri­ka, Lateinamerika, Asien und Europa an nachhaltigen ­Ernährungssystemen und der Nutzung natürlicher Ressourcen. Die Forschungsschwerpunkte sind System­analyse und -modellierung, Ernährungssouveränität und transformatives Lernen.

Die Neustrukturierung der BOKU verleiht der agrarwissenschaftlichen Forschung in Österreich eine verbesserte Sichtbarkeit. Sie ist eine ausgezeichnete Grundlage für zunehmend interdisziplinäre Ansätze und fördert den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in Gesellschaft und Wirtschaft. Die neue BOKU-Organisationsstruktur soll dazu beitragen, die in den Instituten vertretenen Disziplinen enger miteinander zu verknüpfen, um gemeinsam innovative Lösungen für die komplexen Herausforderungen der Landwirtschaft von heute zu entwickeln. In diesem interdisziplinären Forschungsumfeld erfahren Studierende eine moderne und praxisorientierte Ausbildung, die sie befähigt, nicht nur fachlich kompetent, sondern auch sozial und ökologisch verantwortungs­bewusst zu handeln. Das Department für Agrarwissenschaften ist überzeugt, damit einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft zu leisten.