Pflanzenschutz – Fachartikel

Komplexe Ursachen der Ährenverbräunung bei Gerste

Ein Artikel von DI Michael Oberforster und DI Angela Thüringer | 19.01.2021 - 12:43

Die Sommergerste hatte im Jahr 2018 mit Problemen zu kämpfen. Im Mühl- und Waldviertel war die Winterfeuchte ungenügend und es regnete im Frühjahr zumeist nicht genug. In der pannonischen Region hatte das Zusammentreffen mehrerer Negativfaktoren oft niedrige Erträge und eine mangelhafte Braugerstenqualität zur Folge: Zum Teil konnte der Anbau erst in den letzten Märztagen oder Anfang April erfolgen. Von der dritten Märzdekade bis Pfingsten gab es mancherorts unzureichende Niederschläge. Hinzu kam, dass bakterielle und pilzliche Infektionen die Ausbildung der Körner störten und ein massives Auftreten von Zwergrost die Blattabreife beschleunigte. Im Südburgenland, in der Oststeiermark und in Kärnten litt die Sommergerste zeitweilig unter zuviel Regen und Staunässe.

Ertragsstruktur zeigt es an

Die Zergliederung des Kornertrags in seine Komponenten zeigt, wie exzellente oder enttäuschende Erträge zustande kommen. Die guten Leistungen der Sommergerste im Jahr 2016 beruhten auf mitteldichten Beständen, überdurchschnittlich gut bekörnten Ähren und einer mittelguten Kornausbildung. Im Vorjahr machte sich die Trockenheit frühzeitig in einer schwachen vegetativen Entwicklung und häufig schütteren Beständen bemerkbar. Der Gerste gelang es nicht, dieses Manko durch eine gesteigerte Kornzahl/Ähre teilweise auszugleichen. Bei den in Ostösterreich gelegenen Versuchen wurden mehr als 6.000 Kör­ner/m2 weniger geerntet als im Jahr 2016. Weiters war auch das Tausendkorngewicht geringer (Tab. 1).

Witterung und Ährenverbräunung

Das deutliche Auftreten von Ährenverbräunungen 2018 kam unerwartet. Sicher ist, dass die Witterung dabei eine wesentliche Rolle spielte. In der Literatur werden Ährenverbräunungen bei Gerste mit regnerischem Wetter in der Schoss- und Blühphase in Zusammenhang gebracht. Allerdings findet sich von der dritten Märzwoche bis Anfang Mai keine wirklich feuchte Periode. Zwischen 8. und 25. Mai gab es einige Regentage, auch der 6. Juni brachte regional mehr Niederschlag. Nicht alle Sommergersten eines Gebietes waren in gleicher Weise von der Ährenverbräunung betroffen. Vermutlich haben auch schlagspezifische Bedingungen und Unterschiede beim Ährenschieben Einfluss genommen.

Vielfältiges Schadbild

Die Ährenverbräunung war vorwiegend an Sommergersten im Nordburgenland, Wiener Becken, Marchfeld und Weinviertel sowie in Kärnten zu sehen. Bestände im Mühl- und Waldviertel waren weitgehend frei davon. Ab der zweiten Junidekade fielen einzelne bis zahlreiche Körner durch eine hell- bis dunkelbraune oder graubraune Färbung und einen verkümmerten Mehlkörper auf. Beim Drusch gelangte diese Leichtkornfraktion vielfach in die Spreu. Andere Körner erschienen weitgehend normal ausgebildet und farblich wenig verändert. Weil die Assimilate bei schlecht ausgebildeten Ähren verzögert von den Blättern abfließen, blieben manche Pflanzen lange grün. Von der Ährenverbräunung betroffene Bestände reiften uneinheitlich ab und leichtere Ähren zeigten bis zuletzt einen aufrechten Habitus. Die Ährenverbräunung bedeutet einen Ertrags- und Qualitätsverlust, aber auch die Keimfähigkeit kann darunter leiden. Die Gerstenproben eines bei Bruck an der Leitha gelegenen Versuches erreichten in den Sortierfraktionen unter 2,8 mm im Mittel nur eine Keimfähigkeit von 38 bzw. 50 % (Tab. 2). Dies ist sowohl bei Saatgutvermehrungen als auch bei der Nutzung für Brauzwecke negativ.

Mehrere Krankheitserreger

An der AGES und der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft wurden drei Ähren- und Kornproben aus dem Wiener Becken, Marchfeld und Hollabrunner Gebiet analysiert. Als Verursacher der Ährenverbräunung konnten Bakterien der Art Pseudomonas syringae pv. atrofaciens, mehrere Fusariumarten (Fusarium langsethiae, F. poae, F. sporotrichioides) und der Pilz Cochliobolus sativus identifiziert werden. In allen drei Fällen handelte es sich um Mischinfektionen. Der bakterielle Befall dürfte die Ährenverbräunung hauptsächlich hervorgerufen haben. Eine vereinzelt höhere Toxinbelastung deutet jedoch darauf hin, dass an manchen Standorten auch Fusariumpilze bedeutsamer waren.

Bakterielle Spelzenfäule

Diese Krankheit wird durch Pseudomonas syringae pv. atrofaciens verursacht. Die Bakterienart befällt neben der Gerste auch andere Getreidearten. Eine Infektion kann von Ernterückständen oder Gräsern am Feldrand ausgehen, das Bakterium ist überdies samenbürtig. Regnerisches Wetter begünstigt die Befallsentwicklung und Ausbreitung im Bestand. Bakterienbefall gab es bei Gerste in erster Linie nach feuchter Maiwitterung, etwa in den Jahren 2010 und 2013 (Huss, 2013). Infektionen vor oder zu Beginn der Milchreife können das Kornwachstum fast ganz unterbinden. Eine direkte Möglichkeit zur Bekämpfung existiert nicht.

  Fusariumarten bei Gerste

Die Gerste ist für Ährenfusariosen weniger anfällig als Weichweizen, Durumweizen und Triticale. Bei der Gerste steht die Krankheit deshalb nicht im Fokus der Landwirte. Wie die Erfahrungen zeigen, kann es regional und in manchen Jahren aber dennoch zu Problemen kommen. Bei zwei Proben aus dem Wiener Becken und Hollabrunner Gebiet war etwa ein Drittel der Sommergerstenkörner mit Fusariumpilzen belastet. Stärkere Niederschläge zur Zeit der Gerstenblüte und oberflächlich liegende Erntereste der Vorfrucht sind Risikofaktoren. Im Vorjahr war das Ährenschieben der Sommergerste in Ostösterreich zwischen 26. Mai und 4. Juni. Bei einem Teil der Bestände fiel die Blüte mit einem regnerischen Tag zusammen. Bei Gerste bewirken Fusariuminfektionen nicht das für Weizen typische partielle Ausbleichen der Ähre, sondern ein Verbräunen einzelner Körner. Das an Gerste vorkommende Spektrum an Fusariumarten unterscheidet sich auch von jenem des Weich- und Durumweizens. Zudem produzieren Fusarium langsethiae, F. poae und F. sporotrichioides kein De­oxynivalenol (DON), sondern vorrangig T2- und HT2-Toxine. Die Untersuchung der Körner auf Fusariumtoxine ergab einen niedrigen (Marchfeld) bis höheren (Bruck an der Leitha) Gehalt an diesen Pilzgiften. Deoxynivalenol konnte nicht nachgewiesen werden bzw. war der Gehalt bedeutungslos. Der Landwirt hat bei der Gerste weniger Möglichkeiten zur Kontrolle von Ährenfusarium. Die von der Vorfrucht und Bodenbearbeitung ausgehenden Wirkungen gelten auch bei dieser Getreideart. Es dürfte auch Unterschiede in der Anfälligkeit der Gerstensorten geben, dazu ist aber wenig bekannt. Die bei Weich- und Durumweizen eingesetzten Fungizide sind gegen Ährenfusarium der Gerste nicht anwendbar. Außerdem wiesen deutsche Forschungsarbeiten nach, dass diese Wirkstoffe gerstenrelevante Fusariumarten nur unzureichend erfassen.

Braunfleckigkeit

An der Ausbildung von Ährenverbräunungen war ebenfalls der Pilz Cochliobolus sativus (Nebenfruchtform Bipolaris sorokiniana) beteiligt. Die an den Blättern hervorgerufenen Symptome, punkt- bis streifenförmige, dunkelbraune Nekrosen, werden Braunfleckigkeit genannt. Der Pilz ist auch samenbürtig und wird durch feuchtwarme Bedingungen gefördert. Im Jahr 2010 wurden die pannonischen Sommergersten stärker davon geschädigt, im Vorjahr war der Befall nicht gravierend. Ausgehend von den Blättern können auch die Ähren infiziert werden. Bei zwei Proben der Ernte 2018 zeigten 5 % bzw. 14 % der Körner einen Befall mit Cochliobolus sativus. Die gegen Blattkrankheiten eingesetzten Fungizide besitzen keine Indikation gegen die Braunfleckigkeit, dürften teilweise aber eine Nebenwirkung entfalten.

Fazit

Teils schüttere Bestände, eine geringe Kornzahl/Ähre und leichtere Körner bedingten die in Ostösterreich 2018 oft niedrigen Sommergerstenerträge. Wassermangel, eine durch Bakterien, Fusariumpilze und den Erreger der Braunfleckigkeit hervorgerufene Ährenverbräunung sowie ein massiver Zwergrostbefall waren die Hauptursachen dafür. Ein beim beginnenden Ährenschieben gegen Abreifekrankheiten angewandtes Fungizid wirkte erfolgreich gegen den Zwergrost, hatte aber keinen nennenswerten Effekt auf die Ährenverbräunung. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass im Pflanzenbau gelegentlich unerwartete und kaum lösbare Schwierigkeiten auftreten. Jetzt geht es darum, die Sommergerste bei günstigen Bedingungen möglichst bald anzubauen. Bei zeitiger Saat lassen sich die positiven Effekte der bis Ende April einwirkenden Kurztage auf die Pflanzen­entwicklung besser nutzen. ■

Literatur:

Huss, H. (2013): Nicht nur durch Fusarien verursacht: Die Ährenverbräunung der Gerste. Der Pflanzenarzt 66 (9-10): 4-6.

Die Autoren

DI Michael Oberforster und DI Angela Thüringer, AGES Wien