v.l.n.r._ Hans Mayrhofer, Generalsekretär Ösfo, Wolfgang Burtscher, Generaldirektor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bei der Europäische Kommission, Verteidigungsanalyst und Autor Franz-Stefan Gady , Nationalrat Johannes Schmuckenschlager, Stephan Pernkopf, Präsident des Ökosozialen Forums, Direktor des FAO-Büros in Brüssel, Raschad Al-Khafaji und Verena Scherfranz, LKÖ © Schreiber/Ökosoziales Forum
Bei der Eröffnung der 72. Wintertagung betonte der Präsident des Ökosozialen Forums, Stephan Pernkopf, die hohe Bedeutung der Lebensmittel- und Energieproduktion durch die heimische Landwirtschaft. Ernährung gehöre zur kritischen Infrastruktur, daher dürfe die Verantwortung für die Produktion nicht ausgelagert werden. Die Verfügbarkeit der Lebensmittel werde künftig eine größere Herausforderung als der Preis. Wir müssen Nahrungsmittel produzieren – in ausreichender Menge und hoher Qualität. „Wir brauchen Versorgungssicherheit. Das geht nur durch eine nachhaltige Intensivierung und eine Krisenvorsorge durch Bevorratung. Bäuerinnen und Bauern brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit, um produzieren zu können. Dazu brauchen wir mehr Landwirtschaft und weniger Zettelwirtschaft,“ so Pernkopf.
Auf die globalen Zusammenhänge der Ernährungsversorgung wies der Direktor des FAO-Büros in Brüssel, Raschad Al-Khafaji, hin. 2023 litten weltweit 733 Mio. Menschen an Hunger. Die Hauptursachen dafür sind Konflikte, Klimaveränderungen und wirtschaftliche Abschwünge. Diese Faktoren weisen untereinander hohe Wechselwirkungen auf und verstärken einander. So fördere Hunger ineffiziente Praktiken in der Landwirtschaft, die wiederum zum Klimawandel beitragen. Diese weltweiten Verschränkungen und Abhängigkeiten erfordern für die Lösung eine ganzheitliche Herangehensweise, um das weltweiten Agrar- und Ernährungssystem effizienter, integrativer und nachhaltiger zu machen.
Der Verteidigungsanalyst und Autor Franz-Stefan Gady unterstrich die militärische und strategische Bedeutung einer sicheren Versorgung mit kritischen Gütern. Nahrungsmittel sind hier ebenso von Bedeutung wie die Energiesicherheit. In dieser Hinsicht müsse künftig Sicherheitspolitik neu gedacht werden. Hybride Kriegsführung wird in Zukunft eine enorme Herausforderung werden, Systeme – wie auch das Ernährungssystem – müssen resilient gedacht werden.
Wolfgang Burtscher, der Generaldirektor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bei der Europäische Kommission unterstrich die hohe Leistungsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft. Die neun Millionen landwirtschaftlichen Betriebe in Europa nehmen ihre Verantwortung auch innerhalb der weltweiten Nahrungsmittelproduktion wahr. Gleichzeitig konnten seit 1990 die Treibhausgasemissionen des Agrarsektors um 23 Prozent gesenkt werden, während die Emissionen des Landwirtschaftssektor im selben Zeitraum in den USA um zwei Prozent und in Brasilien um 30 Prozent zunahmen. Durchaus kritisch ging Burtscher mit einigen politischen europäischen Initiativen auf wie beispielsweise der Pestizidverordnung ins Gericht. Künftig brauche es einen territorialen Ansatz, der unterschiedlichen Ausgangslagen der Mitgliedsländer in den Blick nimmt. Burtscher illustrierte dies mit dem Vergleich einer Familie. Wenn ein Familienmitglied die Grippe habe, müssten nicht alle andern auch die Medikamente einnehmen.
Der Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Johannes Schmuckenschlager, betonte in der Abschlussdiskussion die Notwendigkeit einer ausreichenden Lagerhaltung für Lebensmittel. Während für Erdöl Reserven für 90 Tage vorhanden sein müssen, gäbe es für Getreide keine entsprechende Regelung. Parallel können auch internationale Handelsabkommen die Versorgungssicherheit gefährden, wenn wir uns zu stark auf Importe verlassen.
Bereits am Vorabend der Eröffnung traf Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig anlässlich der 72. Wintertagung den neuen EU-Agrarkommissar Christophe Hansen. „In den kommenden Monaten fallen in Brüssel richtungsweisende Entscheidungen für unsere Landwirtschaft. Es freut mich, dass der neue EU-Agrarkommissar Österreich als eines der ersten EU-Länder besucht und wir einer Meinung sind: Wir müssen Bürokratie abbauen, um unseren Bäuerinnen und Bauern und insbesondere unseren jungen Hofübernehmern wieder mehr Perspektiven zu geben“, so Totschnig.